SZ trauert um Lokalchef Christian Krügel

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Liebe Leserin, lieber Leser,

ein Frühlingstag, fast ein Sommertag. Die Luft ist lau, und wenn ich jetzt noch das Cabrio hätte, das ich vor einem Vierteljahrhundert mal gefahren habe, würde ich vielleicht auf der Heimfahrt „Perfect Day“ von Lou Reed hören. Wie kann es sein, dass an so einem Tag eine Nachricht kommt, die einem den Atem nimmt, die einen umwirft, die einen zweifeln lässt an jenem Gefühl, dass das Leben manchmal schwierig ist, aber insgesamt doch gut?

Mit 48 Jahren ist Christian Krügel gestorben, seit mehr als 20 Jahren bei der SZ, Chef des Ressorts München, Bayern, Region. Ach, was heißt schon Chef? Er war die Seele des Ladens; er war ein fröhlicher Mensch, dem außer seiner Familie und seinem Glauben nichts wichtiger war als das Wohlergehen seines Ressorts, seiner Leute und dieser Zeitung. Er hatte jene Autorität, die daher rührt, wenn ein Chef nicht um seiner selbst willen Chef ist, sondern weil es keinen gibt, der es für alle anderen und die Firma, also die Zeitung, besser machen würde, als eben er, der Chef, Christian Krügel.

Manchmal haben mein Kollege Wolfgang Krach und ich uns mit ihm gestritten, selten, aber doch. Das war immer dann, wenn Krügel sich für sein Ressort, für eine Planstelle, für eine Vertretung, für die Höhe des Etats starkmachte, und wir dann als Chefchefs das sagten, was Chefchefs zu Chefs so sagen: ist nicht im Etat, können wir später vielleicht machen, geht jetzt nicht, wir haben eine Budget-Challenge und so Zeug. Dann konnte Krügel deutlich werden, weil er um das fürchtete, was ihm so sehr am Herzen lag: die Berichterstattung aus jenem Stadtteil oder in diesem Landkreis; die intensive Recherche über einen seltsamen Vorgang in der Verwaltung oder die Überzeugung, dass wir unbedingt noch jemanden für Ostbayern oder Mittelfranken bräuchten.

Aber Krügel, der studierte Historiker, war auch einer meiner liebsten Gesprächspartner, wenn uns beiden mal danach war, über die Agilolfinger zu reden oder das Schicksal der Angelsachsen nach Hastings oder auch darüber, ob man Schostakowitsch lieber von Jansons oder Gergiev dirigiert hört. (Krügel fand: Jansons.) Manchmal haben wir auch über Dinge in Dachau gesprochen, meiner Geburtsstadt, wo ich als freier Journalist der SZ angefangen habe und er später Redakteur und Büroleiter war. Er war ein Freund, obwohl man sich, gerade als Chefchef, mit Freunden im Büro schwertut. Krügel wusste das. Und er wusste auch, dass man melancholische Menschen mit einem lauten „Guten Morgen“ und einem kinnbärtigen Lachen für kurze Zeit fast fröhlich machen kann.

Für seine Art des Todes, den Gehirnschlag, gibt es Floskeln: wie ein Blitz aus heiterem Himmel; völlig überraschend, ohne jede Vorwarnung. Ja, alles wahr, und dennoch: Floskeln. Das Unfassbare bleibt unfassbar. Wie kann es sein, dass Christian Krügel mir am Aufzug nicht mehr zu laut, lachend und mit hochgezogenen Augenbrauen entgegenruft: Guten Morgen, Chef.

Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie ein besseres Wochenende haben als wir in der SZ-Redaktion. Vielleicht hören Sie „Perfect Day“ und denken an eine gute Freundin oder einen fröhlichen Freund.

Kurt Kister
Chefredakteur
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