Messi und Ronaldo scheiden aus, Frankreich feiert Mbappé

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1. Juli 2018
Der große Gewinner am Samstag: Viertelfinalist Frankreich 
Liebe Leserin, lieber Leser,

der Samstag war mein letzter Tag bei dieser WM in Russland, also habe ich mir etwas gegönnt. Ich bin ins Erlebnisbad „Riviera“ in Kasan gegangen, für 1500 Rubel, also für circa 21 Euro. Im Preis enthalten waren kleine Plastiktüten, die ich anziehen musste, nachdem ich meine Schuhe abgegeben hatte. In einer dritten Plastiktüte durfte ich mein Handtuch, ein Buch sowie die wenigen Rubel, die mir geblieben waren, transportieren.

Mit meinen Plastiktüten lief ich vorbei an geschätzt 25 Rutschen, an denen geschätzt 25000 Kinder anstanden, ich ignorierte das Strudelbecken und das Wildwasserbecken und auch das Becken mit dem schreienden Animateur. Dann stand ich endlich vor dem 80-Meter-Pool, parallel verlaufend zur Kasanka, mit Blick auf den herrlichen Kreml von Kasan. Ich breitete gewissenhaft ein Handtuch auf einer Liege aus, verstaute mein Buch sowie die wenigen mir gebliebenen Rubel unter der Liege. Dann sprang ich in den Pool.

Sofort ertönte ein Pfiff.

Ein erzürnt wirkender junger Mann redete auf sehr schnellem Russisch auf mich ein. Da ich nur die Schultern zuckte, zeigte er auf ein Schild, auf dem etwas auf Russisch stand. Offenbar war das Springen verboten. Ich habe, bedeutete er mir mit seinen Händen, das Becken sofort zu verlassen. Ich schüttelte den Kopf, Verständnislosigkeit simulierend, drehte ich mich um und schwamm los. 80 Meter können leider sehr lang sein. Vor allem nach zweieinhalb Wochen in Kasan, in denen ich die meisten meiner Bewegungen dem Fahrdienst Uber anvertraute. Am Ende dieser 80 Meter wartete wieder der gewissenhafte Regelhüter. Ich wendete. Die zweiten 80 Meter waren leider auch sehr lang. Wieder winkte mich der Bademeister heraus. Dankbar folgte ich dieses Mal seinem Befehl.

Ich lag dann ein bisschen in der Sonne, las, schaute gelegentlich rüber auf den herrlichen Kreml, und einmal wagte ich mich in die kleine Holzhütte neben dem Becken. Ich vermute, dass es sich dabei um eine Sauna handeln soll, immerhin war es recht warm. Allerdings saßen dort alle in ihren Badeklamotten (ich auch), manche hatten eine Wasserpistole dabei (ich nicht), manche Kinder sogar ihre Rettungsweste. Es roch so, wie es in einer Sporttasche riecht, nachdem man eine Woche lang vergessen hat, die verschwitzten Klamotten herauszuholen. Ich legte mich wieder in die Sonne.

All das habe ich so ausführlich geschildert, damit auch Sie einmal einen erfreulichen Bericht aus Kasan zu lesen bekommen.

Am Nachmittag habe ich mir dann noch ein Spiel angeschaut, das unterhaltsame 4:3 der Franzosen gegen die Argentinier. Das Spiel fand statt in der Arena von Kasan, Sie wissen schon: das Stadion, in dem Deutschland am vergangenen Mittwoch ausgeschieden ist.

Seit dem Mittwoch verbinden die meisten deutschen Fans mit „Kasan“ eine der schlimmsten Stunden der nationalen Fußballhistorie. Das 0:2 gegen Südkorea steht in den Geschichtsbüchern als das erste Vorrunden-Aus einer deutschen Fußballmannschaft bei der WM. Es steht dafür, wie eine talentierte Mannschaft scheitert, weil sie in Russland behäbig, überheblich und irgendwie führungslos war.

Für all das kann „Kasan“ aber nichts.

Kasan hat sich wirklich Mühe gegeben, anders in Erinnerung behalten zu werden. Ich zum Beispiel habe in Kasan die schönsten Stunden meines Lebens als WM-Reporter verbracht (okay, es war auch meine erste WM überhaupt). Ich war im „Riviera“. Ich habe einmal mit einem wahnsinnig großartigen Kollegen Biere bis zum Sonnenaufgang getrunken, also immerhin bis 2.30 Uhr. Ich war im Kreml von Kasan. Ich habe ein Stammcafé zum Frühstücken gefunden. Ich habe mit Kolumbianern zusammen „El tigre Falcao“ gesungen, zu den Basstönen von Seven Nation Army. Ich habe eine Stammbar gefunden, das „ReLab“, in dem ich gelernt habe, dass auch in Russland die besten Cocktails nicht mit Wodka gemixt werden. All das sind die Erinnerungen an die Stadt Kasan, mit denen ich an diesem Sonntag zurück nach Deutschland fliege.

Außerdem habe ich jetzt einen Sonnenbrand.

Ich wünsche Ihnen einen erfreulichen Sonntag. 


Benedikt Wambrunn, SZ-Sportredaktion
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WM-Achtelfinale: Messi und Ronaldo scheiden aus
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