Vor dem WM-Finale, nach Kerbers Wimbledon-Triumph

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15. Juli 2018
Freudentränen auf dem heiligen Rasen: Wimbledon-Siegerin Angelique Kerber
Liebe Leserin, lieber Leser,

wer von der WM in Russland berichten will, der muss irgendwie von Kasan nach Moskau, von Moskau nach Sankt-Peterburg und wieder zurück nach Moskau zum Finale kommen. Dass Russland groß ist, das weiß jeder, der schonmal eine Weltkarte aus der Ferne gesehen hat, aber das man zum Beispiel in 13 Stunden von Moskau nach Kasan in einem Nachtzug fahren kann, für die 816 Kilometer knapp 30 Euro zahlt und alles in allem recht angenehm ist, das habe zumindest ich erst hier erfahren. Schon wenn man das Ticket kauft, schickt einem das großartige Portal „tutu.ru“ eine Bestätigung mit einem lachenden Smiley („Your ticket is approved :-)“), wenn man die Fahrkarte zurückgeben muss (wie ich es bei einem Zug nach Nischni Nowgorod mal tun musste) bekommt nahezu den ganzen Fahrpreis per Internetbezahlanbieter PayPal sofort zurücküberweisen.

Betritt man dann den Nachtzug, drückt einem die Zugbegleiterin einen Pack Bettwäsche in die Hand - man muss seine Matratze, sein Kissen und seine Decke selbst beziehen - und dann liegt man 13 Stunden lang auf einer sehr weichen Matratze und teilt sich das Abteil mit drei weiteren Reisenden im ewigen Ratatatatatatatatatatata des Zuges in der russischen Weite. Und kommt dann pünktlich zum Spiel Belgien gegen Brasilien an.

Man muss natürlich auch irgendwo wohnen. Und weil die Hotel-Kapazitäten begrenzt und offizielle Fifa-Unterkünfte teuer sind, habe ich meine Wohnungen auf AirBnB gebucht. Das ist meistens billiger, man bekommt eine Wohnung in besserer Lage und hat das Glück, bei Antonia und ihrer Familie zu landen. Antonia hat in ein Nebenzimmer eine Schlafcouch gestellt, in der Wohnung wohnt noch Katze Anushka und Antonia erklärt einem eine halbe Stunde in fließendem Russisch, wie alles funktioniert. Auch wenn man bis auf sieben, acht Worte kein Russisch kann und ihr das schon nach zwei Sätzen gesagt hat. Man behilft sich dann zum Beispiel beim Frühstück mit Google-Translate, was übrigens auch in jedem Taxi das Mittel zur Wahl ist. Ein Fahrer beugte sich bei relativ dichtem Verkehr auf der Mittelspur fahrend zu seinem Smartphone am Amaturenbrett runter und diktierte Google-Translate, das Wladimir Putin deutsches Bier liebe. Als die App mir das übersetzte, ich ihn fragend anschaute und ihm andeute, dass er sich vielleicht auf die Straße konzentrieren sollte, sagt er nur sehr stolz: „Warsteiner.“

Wenn die WM am Sonntag zu Ende gehen wird, dann werde ich tatsächlich das Transport-System hier sehr vermissen. Ich habe gelesen, dass die Münchner Verkehrsgesellschaft den Plan verworfen hat, die U-Bahn den ganzen Tag über alle fünf Minuten fahren zu lassen. In Moskau fährt die U-Bahn alle 90 Sekunden und ich habe mich sehr dran gewöhnt.

Andererseits: Wenn Sie in München oder anderswo in Deutschland gerade auf ihre U-Bahn warten, dann haben sie wenigstens Zeit zu lesen. Ich wünsche Ihnen einen schönen letzten WM-Sonntag


Martin Schneider, SZ-Sportredaktion
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Néstor Pitana aus Argentinien pfeift das WM-Finale. Er ist der vierte Referee, dem die Ehre zukommt, sowohl Eröffnungs- als auch Endspiel zu leiten

SPIEL UM PLATZ DREI
Im Spiel um Platz drei demonstriert Belgien den Konkurrenten von der Insel, wie viel Spielwitz im Fußball stecken kann. Der Auftritt der Engländer ist dagegen irritierend.
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Reportage
Vergesst das Finale, diese Fußball-Weltmeisterschaft hat nur einen Sieger: Wladimir Putin. Über das Turnier eines Autokraten und seiner infantilen Bewunderer aus dem internationalen Betrieb.
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"90 Minuten dürft ihr mich noch Welt­meischder nennen": Ein fiktiver Endspiel-Fernsehabend in einem Freiburger Wohnzimmer mit Ronaldo, Messi, Neymar und - Joaquim Löw.
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Sportpolitik
Die Fußballwelt verfolgt irritiert die Nähe zwischen Gianni Infantinos Fifa und der politischen Führung von Saudi-Arabien. Womöglich hat das nun Konsequenzen für die Weltmeisterschaft 2022.
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Sieg mit Klassenunterschied: Angelique Kerber gewinnt im Finale von Wimbledon gegen Serena Williams - als erste deutsche Tennisspielerin seit Steffi Graf 1996.
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Novak Djokovic wirkte schon wie weggezaubert von der Weltspitze, nun steht er nach einem Marathonmatch im Wimbledon-Finale. Der unterlegene Rafael Nadal hadert mit dem geschlossenen Dach.
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